St. Petri: Ein Orgelbau auf der Zielgeraden

Nachricht 06. Februar 2024

Neue Chororgel entsteht nach Plänen von Rowan West

Die Chororgel kurz vor der Intonation. V. l. n. r.: Karsten Ley, Harmut Hoops, Sybille Groß, Christoph Keinert und Winfried Puschmann. Foto: C. Haar-Rathjen

Buxtehude. Lautes Klopfen und leise brummende Motorengeräusche bekommt zu hören, wer mitten in der Woche die St. Petri Kirche betritt. Grund dafür ist die Montage der neuen Chororgel, die kurz vor ihrer Fertigstellung steht. Am 14. April 2024 wird die Einweihung gefeiert. Auch ein Exklusivkonzert nur für die Spender:innen und Orgelpfeifenpaten ist in Vorbereitung. Ein großes Projekt der Buxtehuder Kirchenmusik gemeinsam mit der St. Petri Kirchengemeinde ist nun auf der Zielgeraden. Kreiskantorin Sybille Groß und Karsten Ley, Vorsitzender des Vereins Musica Viva e. V., hält die Chororgel bereits seit 2017 in Atem. In einem Gespräch berichten beide vom aufregenden Verlauf des Projekts.

Aktueller Stand auf der Baustelle

Das Gehäuse steht bereits seit dem Sommer letzten Jahres an seinem Platz vor den Altarstufen seitlich zwischen den Pfeilern. Karsten und Judith Ley, beide im Hauptberuf Architekten und aktiv bei Musica Viva, freuen sich über die harmonische Eingliederung des Orgelbauwerks in den Kirchenraum. Beispielsweise entsprechen sich die Form des zeitgenössischen Orgelprospekts und die gotischen Kirchenfenster.

Zum Jahresende wurden an der Vorderseite die Prospektpfeifen eingebaut und die geschnitzten und mit Palladium belegten Schleierbretter am Prospekt angebracht. Die Bildhauerin Christiane Sandler hat sie gefertigt. Orgelbauer Christoph Keinert baute den Spieltisch ein. Taste für Taste handgefertigt. „Für den Einbau des 120 kg schweren Balgs wurden noch einmal viele kräftige Arme gebraucht, die sich unter den Ehrenamtlichen schnell fanden“, freut sich Sybille Groß.

Der nächste Höhepunkt wird in Kürze die Intonation sein, die Orgelbauer Winfried Puschmann im Sinne des Schöpfers der Orgel, Rowan West, an den insgesamt 848 Orgelpfeifen vornehmen wird.

Mit der Intonation wird die Orgel ihre Stimme erhalten und damit ihre Bestimmung: die klanglichen und musikalischen Möglichkeiten in der Buxtehuder Backstein-Basilika zu erweitern und auch das gemeinsame Musizieren mit Chören und Instrumentalisten zu ermöglichen.

Die barocke Klangästhetik des neuen Instrumentes sowie die große frühromantische Orgel von Philipp Furtwängler aus dem Jahr 1859 bilden gemeinsam mit der Kirschner-Truhenorgel ein hervorragendes Ensemble, das ein umfangreiches und ausgewogenes musikalisches Gesamtkonzept in der St. Petri Kirche ermöglicht.

Planung der Orgelrestaurierung und Einwerbung von Spenden

Eigentlich handelte es sich bei alldem um die Restauration und Erweiterung der Hillebrand-Orgel aus dem Jahr 1974/75. „Denn als Chororgel für eine repräsentative und hochwertige kirchenmusikalische Arbeit war dieses Instrument nur begrenzt geeignet“, schildert Sybille Groß.

Für das Bauprojekt konnte der aus Australien stammende Orgelbauer Rowan West aus Altenahr gewonnen werden. Der Liebhaber norddeutscher Orgelbaukunst hatte bereits die Restauration der „großen Schwester“ in der St. Petri Kirche, die Furtwängler-Orgel, im Jahr 2007 übernommen. Unter den Musikbegeisterten rund um die Buxtehuder Kirchenmusik, von denen sich seit 2015 viele im Verein Musica Viva e.V. zusammengeschlossen hatten, entstand schnell eine große Spendenbereitschaft. Das für die Restaurierung zunächst veranschlagte Kostenvolumen von 140.000 Euro konnte durch mehrere Spendenaktionen (z. B. durch Pfeifenpatenschaften, den „Markt der schönen Dinge“ und Konzerte) bis 2019 zu über 80 Prozent erreicht werden.

Nach weiteren Überlegungen zum Gesamtkonzept der Orgel und der Schenkung des Registers „Vox humana 8‘“ schlug Rowan West eine zweite Erweiterung vor, die das Potential des neuen Instrumentes weiter nutzen sollte, die aber auch das Kostenvolumen erheblich erhöhte. Mit der Zusage einer Privatperson, 50 Prozent der Kosten der zweiten Erweiterung zu übernehmen, wurde dieser Schritt beschlossen und dank eines erfolgreichen Spendenkonzepts von Musica Viva und durch das erhöhte Engagement großzügiger Spender:innen kam die Summe von 240.000 Euro tatsächlich zusammen.

Sybille Groß und Karsten Ley ist wichtig zu betonen, dass die Chororgel allein auf Spendenbasis finanziert wird. Auch mit ihrer Tatkraft waren und sind viele Ehrenamtliche Musikliebhaber:innen seit Jahren aktiv beteiligt. Hartmut Hoops, Handwerker im „Ruhestand“, beispielsweise ist zurzeit täglich auf der Orgelbaustelle in St. Petri zu treffen und baut mit den Orgel-Profis gemeinsam die Spielmechanik in das Innere der Orgel ein. Sie hat die Funktion, die direkte Verbindung von der Taste zum Ventil der Pfeife herzustellen.

Tiefpunkt: Ahrtalhochwasser vernichtet Hoffnung auf eine restaurierte Orgel

Im Juli 2021 sollte die Chororgel nach ausführlicher Planungsphase endlich auf die Reise in die Werkstatt nach Altenahr gehen und wurde in einer launigen Veranstaltung verabschiedet.

Nur eine Woche später zerstörte das verheerende Ahrtal-Hochwasser die Werkstatt von Rowan West und mit ihr die Buxtehuder Orgel.

Gottseidank konnten sich alle Mitarbeiter der Orgelbauwerkstatt retten. Rowan West wurde in Nassau an der Lahn aufgenommen.

Die Kirchengemeinde und die Aktiven von Musica Viva waren geschockt. Sie ließen die Menschen in Altenahr nicht im Stich und sammelten nun Spenden für die Flutopfer und leisteten im Verbund vieler Helfer:innen auch tatkräftige Hilfe für das Ahrtal.

Ein ganz neues Konzept zur Chororgel hätte sämtliche Vorplanung zunichte gemacht. Sybille Groß: „Da steckte damals schon viel, auch ehrenamtliche Arbeit drin und das Konzept Rowan Wests war im Ursprung der Chororgel von 1974 begründet, auf die Möglichkeiten in der Erweiterung zur historsichen Furtwängler-Orgel abgestimmt sowie der Gemeinde und den Spender:innen vermittelt und versprochen.“ In Buxtehude wurde heiß diskutiert.

Planung des Wiederaufbaus der Orgel

Die Kreiskantorin, der Verein und mit ihnen Rowan West gaben nicht auf. Der Orgelbauer engagierte sich in hohem Maße trotz einer fortschreitenden chronischen Krankheit.

Musikalisch überzeugt das Konzept: Aufgrund der Größe der Kirche und deren Akustik sowie der historischen Tonhöhe ist das Zusammenspiel von Chören und Instrumentalist:innen vom Altarraum aus mit der großen Orgel auf der entfernten Empore schwierig und begrenzt die musikalischen Möglichkeiten einer Kirche des Formats von St. Petri enorm. Diese „akustische Lücke“ kann eine Chororgel in der Nähe des Altarraums füllen.

So rührten Sybille Groß, Karsten und Judith Ley sowie viele Ehrenamtliche aus der Kirchengemeinde und darüber hinaus erneut die Werbetrommel und planten und organisierten in zahlreichen Videokonferenzen die Weiterführung des Projektes, nun zugunsten eines Wiederaufbaus mit der Firma West GmbH. „Alles in allem war es ein freundschaftliches Zusammenarbeiten“, resümiert Karsten Ley.

Auch der Orgelbauer selbst spendete in nicht unerheblichem Maße. Rowan West organisierte mithilfe von befreundeten Orgelbauern im Allgäu, im Elsass und in der Schweiz den Aufbau der neuen Orgel in deren Werkstätten. Bald wurde die Fertigstellung für den Sommer 2023 avisiert.

Von einem traurigen Abschied bis zur Vollendung der Chororgel

Im Mai 2023 verstarb Rowan West, der Schöpfer der neuen Chororgel, im Alter von 70 Jahren. Alle Beteiligten hielten inne und gedachten des Orgelbaumeisters. Ein Nachruf findet sich auf der Website von Musica Viva e.V.

Während der Klärung von Rechtsfragen musste der Weiterbau der Orgel pausieren. Sein Bruder, Greg West, sprang ein mit dem festen Willen, dieses letzte Orgelbauwerk Rowan Wests zu dessen Vermächtnis gelingen zu lassen.

Die heutigen Orgelbauer und die Kirchengemeinde St. Petri haben das gemeinsame Ziel, die Chororgel für St. Petri Buxtehude als letztes Werk der West GmbH im Gedenken an Rowan West fertigzustellen.

Das Konzept, das Rowan West in hochkompetenter und liebevoller Detailarbeit trotz jahrelanger Krankheit für die Orgel erstellte, wird nun von den Orgelbauern Winfried Puschmann und Christoph Keinert in seinem Sinne vollendet. Voller Vorfreude erwartet St. Petri einen musikalischen Festakt am 14. April.

Christa Haar-Rathjen

Die Orgelpfeifenpatenschaften sind bereits alle vergeben. Wer den Bau der Chororgel finanziell unterstützen möchte, kann sich mit einem Spendenbeitrag an einer Chororgel-Patenschaft beteiligen. 

Spendenkonto von Musica Viva e. V. (Förderkreis der Kirchenmusik im Kreiskantorat Buxtehude)

Sparkasse Harburg-Buxtehude
IBAN: DE30 2075 0000 0090 5886 25
BIC: NOLADE21HAM
Spendenzweck: Patenschaft Chororgel St. Petri