Ahlerstedt und Bargstedt feiern 30 Jahre Partnerschaft mit Gimbi

Nachricht 27. November 2024

Stimmungsvolles Jubiläum in Gimbi und in Bargstedt

Beim Partnerschaftsgeburtstag am 13. Oktober im Gottesdienst in Gimbi: Josef Kebede, der Fahrer der Gimbi-Reisegruppe, Rev. Adissu Melka, der Präsident der Gimbi Jorgo Synode, Jörg Niemann aus Ahrenswohlde und Anke Meyer aus Ahlerstedt (v. l. n. r.), Foto: Willi Kalmbach.

Die ökumenische Begegnung und der persönliche Austausch der Glaubenden standen in der Partnerschaft zwischen den Kirchengemeinden Ahlerstedt, Bargstedt und Gimbi von Anfang an im Mittelpunkt. 
Wie alles begann und wohin sich die Partnerschaft heute, 30 Jahre nach der Gründung, entwickelt hat, das konnten die rund 100 Unterstützer:innen und Weggefährt:innen im Bargstedter Gemeindehaus am vergangenen Freitag mit allen Sinnen erleben: Bei farbenfrohen Fotos und Berichten von Begegnungsreisen, bei äthiopischen Liedern, dem Duft und Geschmack von frisch geröstetem und gebrühtem Kaffee und mit Injera, einem aus dem äthiopischen Getreide Teff gebackenen Fladenbrot. 
Aus Briefen von Kindern und Jugendlichen des Waisen-Projektes wurden Dankesworte vorgelesen und einzelne Lebensgeschichten erzählt. Die Grüße aus Gimbi zum gemeinsamen Partnerschaftstreffen kamen über Social Media direkt ins Gemeindehaus. 
Viele sind an diesem Abend gekommen, die schon einmal Gäste aus der äthiopischen Gemeinde aufgenommen haben oder selbst in Gimbi zu Gast waren, das ca. 430 km westlich der Hauptstadt Adis Abeba liegt.

Die „Castingtour“ eines afrikanischen Pastors
Ein afrikanischer Pastor hatte eines Tages im Jahr 1993 vor der Bargstedter Kirche gestanden und  Pastor Friedrich Weßeler darum gebeten, im Gottesdienst Grüße aus seiner äthiopischen Heimat ausrichten zu dürfen. Er durfte. Nach freundlichen Gesprächen reiste der äthiopische Gast wieder ab, davon berichtet der heutige Ruheständler Weßeler.
Obwohl der Bargstedter Seelsorger schon eine Ahnung hatte, erfuhr er erst drei Monate später, dass Kes Edosa, so der Name des Pastors aus Gimbi, auf „Castingtour“ für eine Partnerschaft mit einer deutschen Gemeinde war. Bargstedt hatte das Casting gewonnen. Ob sich die Gemeinde eine Partnerschaft mit der Gemeinde Gimbi aus Westäthiopien vorstellen könne, lautete die Frage in einem Anruf aus dem Ev.-luth. Missionswerk Niedersachsen in Hermannsburg. Die äthiopische Kirche heißt „Mekane-Yesus“, zu deutsch „Ort Jesu“. 

Eine gemeinsame Vision von Ökumene und geteiltem Glauben
In Bargstedt fand die Anfrage Anklang, doch es wurden auch Hindernisse deutlich: Wie sollte man sich überhaupt verständigen? Mit der Nachbargemeinde Ahlerstedt gemeinsam wollten sie es wagen. Ahlerstedt, wie Bargstedt, ist eine Gemeinde mit Hermannsburger Prägung, in der außerdem Pastor Willi Kalmbach wohnt –  mittlerweile als Ruheständler. Etliche Jahre hatte er als Missionar mit seiner Familie in Äthiopien gelebt und brachte so die besten Voraussetzungen für einen ortskundigen Berater und Reiseleiter mit. Anfang 1994 gaben die Kirchenvorstände grünes Licht für die Partnerschaft.  „Wir hatten eine Vision,“ erzählt Friedrich Weßeler: „Ein Stück Leben miteinander teilen. Sorgen, Nöte, aber auch Glauben teilen.“ Kalmbach ergänzt: „Wir wollten eine geistliche Partnerschaft, keine Projekte-Partnerschaft. Kes Edosa würde sagen: `Partnership is a miracle´. Wir müssen uns kennenlernen, uns besuchen.“ So kam es zu einer ersten Begegnung. Dieser sollten insgesamt 18 Reisen nach Äthiopien folgen und zahlreiche Gegenbesuche aus Gimbi in die norddeutsche Tiefebene. Im Herbst 2006 reiste eine Jugendgruppe nach Gimbi für ein Treffen mit Jugendlichen vor Ort. Freundschaften zwischen Familien und Einzelpersonen sind entstanden. 
Von je einer Reise pro Dekade der Partnerschaft berichten Johann Deden, Carina Meyer und Heike Niemann. Carina Meyer war 2006 bei der Jugendreise in Gimbi dabei und erinnert sich noch lebhaft an den großartigen und lautstarken Empfang bei ihrer Ankunft: „Hunderte Menschen warteten vor der Kirche auf uns und geleiteten uns mit Gesang und Gejubel in die Kirche.“

Kirchenbau und Waisenkinder-Projekt
Kalmbach und Weßeler betonen, dass es lange überhaupt nicht um eine finanzielle Unterstützung der äthiopischen Christen ging. Erst Jahre später kam es zu einem aus den beiden Geestgemeinden mitfinanzierten Projekt: Die ca. 800 Plätze umfassende Kirche in Äthiopien wurde der wachsenden Gemeinde zu klein und sollte auf 1.200 Plätze erweitert werden.  Bei der Finanzspritze allein blieb es nicht. Auf mehreren Baufreizeiten packten die Partner:innen auch tatkräftig mit an.
2006 kam ein Waisenkinder-Projekt dazu. Davon berichtet Elke Meyer: „Das ist die Frucht der Partnerschaft. Dasein füreinander, das ist der Kern.“ Mit 20 Kindern aus Gimbi und 20 Dauerspendern von hier habe das Projekt begonnen. Die Kinder, die ausgewählt wurden, um ihnen eine Schulbildung zu ermöglichen, haben mindestens ein Elternteil infolge einer HIV-Infektion verloren und bei Verwandten oder Nachbarn Aufnahme gefunden. Doch ohne Schulbildung hätten sie keine Perspektive auf ein selbstständiges Leben erhalten. 
Bereits nach drei Wochen waren 20 Personen gefunden, die sich bereit erklärten, ein Kind dauerhaft zu unterstützen. Noch im selben Jahr konnten 20 weitere Kinder in das Projekt aufgenommen werden durch Dauerspenden aus den beiden Geestgemeinden. Mittlerweile sind es 140 Kinder. Schon mit 30 Euro im Monat kann ein Kind zur Schule gehen, mit Nahrung, Kleidung und medizinischer Betreuung versorgt werden. Die Unterstützung eines Kindes hat positive Auswirkungen auch auf seine Geschwister und die ganze Familie, in der es lebt. „38.000 Euro Spenden pro Jahr müssen wir sammeln – und das gelingt,“ freut sich Elke Meyer und ist selbst überrascht über den Mut, jedes Jahr so viel Geld aufzubringen. „Das ist die Stärke an dem Projekt, dass Ihr so beharrlich seid!“, ruft sie den Anwesenden zu. Neun der geförderten jungen Menschen haben mittlerweile sogar einen Universitätsabschluss, 12 sind aktuell im Studium. Insgesamt seien es aber noch zu wenige, die einen festen Job haben. „Da, denke ich, müssen wir ran“, findet die Ahlerstedterin.

Berührende Dankesbriefe von jungen Menschen
Die Dankbarkeit, die aus den bildreich gestalteten Briefen von jungen Menschen spricht, geht unter die Haut. Meti Desalegn kam 2006 mit etwa sieben Jahren ins Projekt. In einer Übersetzung aus dem Brief der heute 25-Jährigen steht: „All Ihr lieben Familien in Ahlerstedt und Bargstedt! (…) Ich war eine von denen, die die Chance bekamen als allererstes ausgewählt zu werden. Also danke ich Euch für Eure Hilfe in diesen Jahren. Möge Gott Euch und Euer Land segnen. Nun bin ich eine von den Studierenden an der Rift Valley University. Wenn es Gottes Wille ist, werde ich nächstes Jahr mein Studium abschließen. (…) Bitte setzt die Unterstützung fort für jene, die so sind wie ich. Vielen Dank.“
Aus dem Brief eines jungen Mannes: „… mein Name ist Roba Abera. Ich habe meinen Vater an den Tod verloren und war sehr traurig, aber Ihr seid gekommen und habt mich aus dieser Traurigkeit gerettet und habt es mir ermöglicht, normal zu lernen, von der 1. bis zur 12. Klasse. Ihr habt mir unerschrocken alles beigebracht wie ein Vater. Vielen Dank für Euren Respekt. Ich danke Euch. Ich liebe Euch.“ 

Auf und Ab in 30 Jahren Partnerschaft
Zu den 18 Partnerschaftstreffen zählt auch die Reise des Pfarrkonvents des Kirchenkreises Buxtehude im Jahr 2015 in das ostafrikanische Land.  Immer wieder gab es Anteilnahme aus den elf Gemeinden des Kirchenkreises an der Partnerschaft. Es wurden Spenden gesammelt, z. B. als Kirchenkreiskollekte oder als „Konfi-Spende“. 
Mit der Corona-Pandemie erlebte die Partnerschaft erstmals eine Art Flaute. Reisen waren nicht möglich. Das afrikanische Land war von den Auswirkungen der Pandemie stärker betroffen. Politische Unruhen verhinderten eine erneute Jugendreise nach Gimbi, die eigentlich für 2024 geplant war. 
Doch immerhin konnte im vergangenen Oktober, zum eigentlichen Partnerschaftsgeburtstag, eine kleine Delegation aus der Gemeinde Ahlerstedt nach Gimbi reisen, um dort mit den Menschen zu feiern.   Trotz Pandemie und politischer Unruhen in dem ostafrikanischen Land, das dreimal so groß ist wie Deutschland, ist der Kontakt lebendig geblieben.
Der Partnerschaftsgruppe und ihren Helfer:innen ist ein stimmungsvolles Jubiläum gelungen, das noch eine Weile nachklingt.
Wer das Waisenkinder-Projekt in Gimbi unterstützen möchte, findet hier die Bankverbindung:
IBAN: DE94 2006 9782 0088 1236 03, BIC: GENODEF1APE (Volksbank Geest)

Christa  Haar-Rathjen